Das Landgericht Köln (33 O 59/22) hat heute im Wege einstweiliger Verfügung dem Internationalen Paralympischen Komitee aufgegeben, die französische Para Snowboarderin Cecile Hernandez Cervellon in Peking für die Wettbewerbe Banked Slalom und Cross Slalom der Frauen in der Klasse LL-2 zuzulassen, obwohl sie selbst der Klasse LL-1, einer Klasse für Sportler mit einem schwereren Grad der Beeinträchtigung, zugehört. In der Klasse LL-1 finden in Peking keine Wettbewerbe statt. Damit verliert das IPC bereits zum zweiten Mal innerhalb eines Monats einen Nominierungsrechtstreit vor Gericht.

Durch Urteil vom 20.1.2022 hatte bereits Brenna Huckaby, die US amerikanische Para Snowboarderin, die gleichfalls von WIESCHEMANN Rechtsanwälte vertreten wird, vor dem OLG Düsseldorf den Rechtsstreit gegen das IPC auf Zulassung gewonnen. Allerdings erhielt auch sie die formale Zulassung des IPC erst, nachdem WIESCHEMANN Rechtsanwälte die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des OLG angedroht und die vollstreckbare Ausfertigung durch den Gerichtsvollzieher haben zustellen lassen.

Obwohl der Fall von Cecile Hernandez in jeder Beziehung mir jenem von Brenna Huckaby vergleichbar ist, verweigerte das IPC ihr am 12.2.2022 auf den Antrag des Comité Paralympique et Sportif Francais die Teilnahme an den Paralympics –  ausdrücklich entgegen des Urteils des OLG Düsseldorf, weil dies „dem Wortlaut der Regeln des IPC und dem Beschluss seines Governing Boards“ widerspreche.  

WIESCHEMANN Rechtsanwälte hatten bereits am 2.2.2022 Antrag auf Erlass einstweiliger Verfügung gestellt, über den das LG Köln am 16.2.2022 entschied. Dem Verfahren war auf Seiten des IPC das kanadische Paralympische Komitee beigetreten, weil es die Siegchancen seiner eigenen Athletinnen der Klasse LL-2 „stark gefährdet“ sah. Dies ist umso bemerkenswerter, als dass sich eben jene Athletinnen in einer vom IPC unbeachtet gelassenen Petition schon im November 2021 gerade für eine Teilnahme von Brenna Huckaby und Cecile Hernandez bei den Spielen in Bejing ausgesprochen hatten.

Das LG Köln teilte die Auffassung des IPC und des CA PC nicht und schloss sich dem Antrag von WIESCHEMANN Rechtsanwälte und dem OLG Düsseldorf an. Der Teilnahmeanspruch ergibt sich aus dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, die Verweigerung der Zulassung ist ein Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung, der die Athletinnen unbillig behindert.

Das ergibt sich bereits aus den eigenen Regeln des IPC, was dies verkennt. Die Athletinnen begehren keinen ungerechtfertigten sportlichen Vorteil, weil deren Beeinträchtigungen nach dem eigenen Regelwerk schwerer wiegen, als die Beeinträchtigungen, die eine Einstufung in die Klasse SB-LL2 zur Folge haben. Die Klassifizierung in die Klasse SB-LL1 erfolgt bei einer bedeutenden Beeinträchtigung der unteren Gliedmaßen, während die Einordnung in die Klasse SB-LL2 eine geringere („less significant“) Beeinträchtigung voraussetzt. Dies ergibt sich aus den Classification Rules and Regulations des World Para Snowboard.

Nach ihrem Regelwerk kann das IPC zudem Startplätze nahezu beliebig vergeben. (S. 8 „Bejing 2022 Paralympic Winter Games Qualifiction Regulations“: „Redis-tribution of unused Qualification Slots) Die Zurückweisung des Antrags zugunsten der Athletinnen nur unter Hinweis auf ihre Klassifikation ist daher eine „Schein“-Begründung. Tatsächlich ist die Entscheidung willkürlich.

Es war auch nie ersichtlich, warum durch eine Teilnahme von Brenna Huckaby und Cecile Hernandez die Siegchancen der Athletinnen der Klasse LL-2 reduziert sein würde, weil diese einen geringeren Grad der Beeinträchtigung und damit eine strukturell höhere Siegwahrscheinlichkeit haben. Das IPC und CA PC werden nicht behaupten wollen, dass das Regelsystem dem Schutz der Stärkeren vor den Schwächeren dienen würde. Das Argument würde das Verbot der Diskriminierung und die Aufgabe der Inklusion ins Gegenteil verkehren und ist offensichtlich rechtswidrig.

Das System der Klassifikationen je nach Art und Grad der Beeinträchtigung ist weiter zur Aufrechterhaltung der Wettbewerbsgerechtigkeit im paralympischen Sport erforderlich. Die Verbände scheinen aber vergessen zu haben, welchen Zwecken es zu dienen bestimmt ist. Es dient dem Schutz der potenziell Schwächeren und soll Teilhabe ermöglichen – nicht verhindern.

Beide Verfahren haben erkennen lassen, dass das IPC dem Wortlaut des eigenen Regelwerks und dem Beschluss seines Governing Boards, dessen Motive niemand kennt, als dem Urteil eines deutschen Obergerichts. Ein solches Selbstverständnis zu beurteilen beleibt der Öffentlichkeit überlassen.

Wir bedanken uns an dieser Stelle ausdrücklich bei unserem Kollegen Benjamin Peyrelevade, Avocat à la Cour, Paris, für sein Engagement und seine Unterstützung zu wirklich jeder (Un-) Zeit. Es war uns eine Freude.

Am Ende das wichtigste. Viel Glück für beide Athletinnen. Brenna und Cecile. Den Rest müsst Ihr selbst machen. Gewinnen wird die schnellere …..