Die Disziplinar Kommission des IOC, Oswald Kommission, hat nach dem Hearing am Montag 30. Oktober 2017, die beiden russischen Skilangläufer Alexander Legkov und Evgeniy Belov für schuldig befunden, bei den Olympischen Spielen Sochi 2014 ein Anti Doping Rule Violation begangen zu haben. Die Ergebnisse von beiden sollen annulliert werden, sie sollen nicht berechtigt sein, an zukünftigen Olympischen Spielen teilzunehmen. Eine Sperre für die regulären Wettbewerbe der FIS ist damit nicht verbunden.

Mit der Entscheidung geht das IOC ohne weitere Ermittlungen und ohne weitere Beweise weit über die Angaben des Mclaren reports hinaus und stellt sich gegen die bereits vorliegenden Entscheidung des CAS/TAS in gleicher Sache. Die Entscheidung hat die Bezeichnung Skandal verdient. Sie verhöhnt geradezu die Erklärung des Präsidenten des IOC, Dr. Thomas Bach, nur auf der Grundlage sicherer Beweise entscheiden zu wollen.

Die Athleten werden spätestens morgen Berufung beim Court of Arbitration for Sport Berufung einlegen. Sollte sich das Verfahren über den Zeitpunkt des Beginns der Olympischen Spiele 2018 verzögern und eine Verschiebung der Wettbewerbe durch einstweilige Verfügung nicht möglich sein, werden die Ergebnisse möglicherweise nachträglich annulliert werden müssen.

IP McLaren schreibt selbst:

  • Der Grund, warum diese Athletenproben ausgetauscht werden mussten, war, dass sie wahrscheinlich berechtigt waren, den Cocktail  zu verwenden.
  • Dr. Rodtschenkows Aussage ist, dass die meisten geschützten Athleten in Doping-Programmen waren, jedoch nicht alle. Trotzdem würden nach seiner Ansicht alle automatisch Proben vertauscht.
  • Rodchenkov erklärte weiter, dass auch er seine Vermutung nur aus den Erzählungen anderer Personen hatte, er selbst habe keine spezielle Erinnerung.

Das bedeutet, weder Prof. McLaren noch Dr. Rodchenkow selbst behaupten,

  • dass alle Athleten, deren Proben manipuliert werden sollten, tatsächlich Doping verwendeten oder von der Manipulation profitiert haben können,
  • dass sie einzelne Athleten sicher identifizieren können
  • oder dass alle Athleten von der Genehmigung Gebrauch gemacht haben, die sie nur wahrscheinlich – aber nicht sicher – erhalten haben.

Prof. McLaren hat auch auf ausdrückliche Nachfrage des IOC seine Linie nicht verlassen, was großen Respekt verdient. Einzelne Athleten hat er nicht belastet.

Das hätte zwingend , auch nach Ansicht des Court of Arbitration for Sport CAS/TAS erfordert, einen Beweis eines individuellen Verschuldens oder auch nur der Beteiligung jenseits des McLaren reports zu erbringen. Das CAS war der Überzeugung, dass für eine Sanktion die Beweise in dieser Sache nicht ausreichen würden. Darüber hat sich das IOC hinweggesetzt.

Denis Oswald hat noch auf dem letzten Summit des IOC erklärt, dass seine Ermittlungen weit über diejenigen von Prof. Richard Mclaren hinaus gehen würden. Auch das ist tatsächlich nicht der Fall. Die Ermittlungen haben sich ausschließlich auf die Einholung eines neuen forensischen Gutachtens beschränkt. Trotz frühzeitiger Forderung der Verteidigung während des ganzen Jahres hat die Kommission keine weiteren Ermittlungen angestellt, keine Zeugen verhört und keine DNA Analysen durchgeführt.  Die mangelnde Kenntnis der von Prof McLaren zur Verfügung gestellten Dokumente war im hearing erschreckend. Ein Wille zur echten Aufklärung ist nicht feststellbar.

Prof. Christophe Champod hat im hearing mit großer Sachkunde ausführlich sein forensisches Gutachten erläutert hat. Seine Methode wird von der Verteidigung nicht angezweifelt.

Das Gutachten hat ergeben, dass von 41 untersuchten Proben Flaschen von Athleten, die auf der Duchess Liste oder der Medal by Day Liste genannt sind, bei nur 9 Flaschen, also 22% der starke Verdacht besteht, dass sie manipuliert wurden. Die anderen „marks“ sind solcher unbekannter Herkunft oder sind sicher der Produktion oder des normalen Gebrauchs zuzuordnen. Die Annahme einer logischen Verbindung zwischen der Erwähnung auf einem der beiden Listen und einer Manipulation  der Flaschen ist also wissenschaftlich nicht haltbar.

Bei einem der beiden Athleten hat die Analyse den Verdacht der Manipulation an keiner seiner Flaschen bestätigt. Dennoch wurde er verurteilt.

Bei dem anderen Athleten besteht der Verdacht nur bei einer von drei Proben, was der bisherigen Anschuldigung widerspricht.

Bei einem nicht an dem Verfahren unmittelbar beteiligten (namentlich nicht bekannten) Athleten hat die Analyse ergeben, dass die A Probe positiv auf Doping getestet wurde, die B Probe hingegen Zeichen der Manipulation aufweist. Das ist ein nicht zu erklärendes Ergebnis, widerspricht dem bisherigen Verdacht aber eindeutig.

Bereits die Untersuchungen von Prof. Mclaren haben ergeben, dass von den von ihm insgesamt untersuchten Proben, bei 30%  der Inhalt der manipulierten Proben nicht von den Athleten stammt, der die Probe abgegeben hat. Er hat deswegen bereits bei seiner ersten Information an die Verbände empfohlen, DNA Analysen zur Identität einzuholen. Auch die Verteidigung hat das unterstütz. Die Disziplinar Kommission hat das ignoriert. DNA Analysen existieren nicht.

Es besteht daher heute weder ein physikalischer Beweis, dass die Proben der Athleten tatsächlich manipuliert wurden, noch ist sicher, dass der Urin in den Flaschen von ihnen stammt und nicht – ohne ihr Wissen – durch Urin von einer unbekannten Person ausgetauscht wurde.

 

Es gibt also weder von Prof. Mclaren die Behauptung, noch einen Beweis, dass einzelne Athleten an dem System, das zweifellos existiert hat, auch wirklich mitgewirkt haben. Wenn dennoch ein einzelner Athlet ohne jeden vernünftigen Beweis bestraft werden soll, dann zeigt das ausschließlich, dass das IOC sich als Gegner die vermeintlich Schwächsten herausgesucht hat, die Athleten, um „endlich“ der weltweiten Forderung nach Sanktionen nachzukommen.

Es gibt aber einen eindeutigen Beweis, dass das IOC seine Pflichten gegenüber allen Sportlern und Teilnehmern an den Olympischen Spielen Sochi 2014 verletzt hat.

Für die ordnungsgemäße Lagerung und Behandlung der Proben ist ausschließlich das IOC, insbesondere die Medical Commission zuständig, unter deren Verantwortung Dr. Rodchenkov gearbeitet hat. Prof. Mc Laren hat in EDP1157 und EDP 1157_T auch die Email von Darya Pishchalnikova vom 23 Dezember 2012 veröffentlicht, mit der sie die WADA, die IAAF und auch den Präsidenten des IOC im Detail darüber informiert hat, dass Dr. Rodchenkov in Moskau eine ausgeklügeltes System der Korruption und der Doping Verschleierung unterhält.

Mit diesem Wissen des IOC war Dr. Rodchenkov dennoch Director des Anti Doping Labors in Sochi unter der Verantwortung des IOC. Von dieser Verantwortung will das IOC ganz offensichtlich ablenken.

Die Unschuldsvermutung und das Recht auf ein rechtsstaatliches Verfahren schützt weltweit Menschen vor den Folgen willkürlicher Behandlung, unabhängig ob durch einen Staat oder durch ein anderes Organ. Dazu gehört auch, dass Niemand ohne einen Beweis verurteilt werden darf und kein Urteil auf die Angaben von Personen gestützte werden darf, die weder vom Angeklagten, noch vom Gericht selbst befragt werden kann. Das IOC glaubt, diese Errungenschaften moderner Rechtsstaaten nicht anwenden zu müssen und verschiebt die eigene Verantwortung weiteren Gerichten zu, die nach ihm kommen werden.

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