Tony Sylva – FIFA erteilt nach Vertragsbruch trotz Streit Spielberechtigung

Die Kommission für den Status von Spielern der FIFA hat am Freitag dem 26.9. auf den Antrag des von Rechtsanwalt Wieschemann vertretenen Vereins Trabzonspor hin dem senegalesischen Torhüter Tony Mario Sylva ein provisorisches internationales Transferzertifikat erteilt und damit die Auffassung im Fall des Spielers Andrew Webster bestätigt, der im Januar vom CAS als „Fall Webster“ entschieden wurde. Wegen dieses Urteils wurde zu Beginn des Jahres der Zusammenbruch des auf Transfererlösen beruhenden Finanzierungssystems des Fußball befürchtet. Jetzt gibt es einen zweiten Fall, der genauso bedeutsam ist, weil er über die Entscheidung im Fall Webster hinausgeht. Die Parteien stritten damals nur über die Höhe der Entschädigung nach vollzogenem Tranfer.

Nach der ersten Aufregung trösteten sich die Vereine mit der Auffassung, dass man alleine durch Verweigerung der Freigabe doch noch eine Transfervereinbarung und damit eine Transferentschädigung „erzwingen“ könne. Jetzt aber erstritt Trabzonspor für seinen neuen Spieler trotz bestehender Streitigkeiten mit dem alten Verein vor der FIFA eine Spielberechtigung. Erst damit ist endgültig der Weg für wechselwillige Spieler nach Ablauf der Schutzzeit frei.

Das Echo in den Medien sehen Sie auf der Seite Medien oder lesen Sie weiter unten.

 Sachverhalt

Tony Sylva war Torhüter des französischen Erstligisten LOSC Lille und hatte seinen normalerweise bis 2009 laufenden Vertrag im Mai 2008 einseitig unter Bezug auf Art. 17 Abs. 1 des FIFA Statuts über den Transfer von Spielern beendet. Seine Schutzzeit von zwei Jahren seit der letzten Vertragsverlängerung war zu diesem Zeitpunkt abgelaufen. Kurze Zeit später unterschrieb er einen neuen Vertrag bei dem türkischen Erstligisten Trabzonspor, der von Rechtsanwalt Wieschemann vertreten wird.

Auf den Vertrag erst durch die Presse aufmerksam geworden, wies Lille Trabzonspor darauf hin, dass der Spieler noch einen gültigen Vertrag bis 2009 habe und nicht frei gegeben werde. Der Verein vertrat dabei die Auffassung, dass Art. 17 Abs. 1 des FIFA Status in Frankreich nicht vom nationalen Verband in das eigenen Regelwerk aufgenommen und deswegen nicht anwendbar sei. Eine nach den FIFA Statuten und der Entscheidung des CAS berechnete Entschädigung lehnte der Verein ab. Verhandlungen über einen Transfer, um den sich beide Vereine in fairer Weise bemühten, verliefen ergebnislos, so dass die FIFA auf den Klageantrag von Trabzonspor zunächst über die provisorische Freigabe und dann über die Höhe der Entschädigung zu entscheiden hatte. Die erste Entscheidung erfolgte Freitag mit der Erteilung des Freigabescheins, die zweite über die Höhe der Entschädigung darf bis Ende Oktober erwartet werden.

Hintergrund

Nach der berühmten „Bosman“ Entscheidung des EuGH, mit dem die bis dahin im professionellen Fußball üblichen Transferzahlungen auch nach Ende eines Vertrages für unzulässig erklärt wurden, waren die Verein dazu übergegangen, die Spieler langfristig vertraglich zu binden, um sie in der Regel noch vor dem letzten Vertragsjahr gegen eine Entschädigung zu transferieren.

Nach Auffassung der Europäischen Kommission wurde damit der Grundsatz der Dienstleistungsfreiheit aus Art. 39 des EG Vertrages im professionellem Fußball unterlaufen, so dass die FIFA sich bereits im März 2001 mit der Kommission auf ein abgestuftes System zur Wahrung der Vertragsstabilität einigte und die Mitgliedsverbände verpflichtete, die Regeln in das nationale Verbandswerk zu übernehmen. Seitdem bleibt nachArt. 17 Abs. 1 des maßgeblichen Transferstatuts der Vertragsbruch eines Spielers, der beim letzten Vertragsschluss jünger als 28 war nach einer„Schutzzeit“ von drei Jahren, eines Spielers der zum maßgeblichen Zeitpunkt älter als 28 Jahre alt war nach einer Schutzzeit von zwei Jahren, ohne sportliche Sanktion – insbesondere Spielsperre –  wobei der Spiele aber dem Verein eine Entschädigung schuldet.

Die Vorschrift blieb weitgehend unbeachtet, bis Andrew Webster auf diese Art und Weise im Mai 2006 von Heart of Midlothian zu Wigan Atletic wechselte. Der international Sportgerichtshof CAS setzte im Januar 2008 die zwischen den Parteien allein streitige Entschädigung in unerwartet geringer Höhe fest. Der alte Verein hatte als Schadenersatz sowohl vergeblich aufgewendet Ausbildungskosten, in erster Linie aber entgangene Transferentschädigung in Gesamthöhe von ca. 5.3 Mio. GBP verlangt. Während die FIFA noch einen Betrag von 625.000 GBP zugesprochen hatte, lag das Urteil des CAS mit nur 150.000 GBP noch weit darunter. Nach Auffassung des Sportgerichtshofes muss es wegen der Entstehungsgeschichte der Vorschrift einen deutlichen Unterschied geben zwischen einem Vertragsbruch innerhalb und außerhalb der Schutzzeit. Ein zu hoher Schadenersatzanspruch außerhalb der Schutzzeit wäre eine erneute unzulässige Hürde. Der Spieler schuldet dem Verein als Entschädigung nur den Betrag, den er selber fordern könnte, wenn der Verein den Vertrag vorzeitig kündigen würde. Dies ist nicht mehr als das Gehalt bis zum vereinbarten Ende des Vertrages, das in der Regel sehr deutlich unter einer Transferentschädigung liegt.

Der Sache nach bedeutet dies: Der Spieler zahlt an den Verein sein restliches Gehalt und ist weg.

Deutsche Vereine und auch Autoren in Fachzeitschriften waren nach der ersten Aufregung zunächst der Meinung, einer solchen Entscheidung stünde deutsches Arbeitsrecht entgegen – was nicht stimmt, weil die Parteien nach den Musterarbeitsverträgen der DFL zulässigerweise eine Rechtswahl weg vom deutschen Arbeitsrecht hin zum Recht der FIFA treffen.

Größere Hoffnungen aber ruhten auf dem Umstand, dass nach den Regularien der FIFA (Anhang 3 zum FIFA Statut, Art. 2 Zif. 4) normalerweise ein Freigabeschein nicht erteilt werden darf, wenn der abgebende Verein mitteilt, dass der Vertrag nicht einvernehmlich aufgelöst wurde undarbeitsrechtliche Streitigkeiten bestehen. Damit glaubte man faktisch einen auf Art. 17 gestützten Transfer verhindern zu können um dann im Verhandlungswege doch zu einer Transfervereinbarung mit dem neuen Verein zu gelangen. Mit dieser Frage hatte sich das Gericht nämlich im Webster Fall nicht beschäftigen müssen, weil dessen Spielberechtigung nicht streitig war.

In der Vergangenheit gab es zwar bereits in anderen Fallkonstellationen provisorische Freigaben durch die FIFA, nicht aber gestützt auf Art. 17. Auch diese Frage ist jetzt mit Erteilung der provisorischen Spielberechtigung für Tony Mario Sylva entschieden. Die FIFA stellt sich hier auf den Standpunkt, dass in der Regel Spielern mit einem neuen Anstellungsvertrag eine vorläufige Freigabe zu erteilen ist, während die Prüfung der Rechtsmäßigkeit der Vertragsauflösung, der Höhe der Entschädigung und einer möglichen sportlichen Sanktion (Sperre) allein dem weiteren Hauptsacheverfahren überlassen bleibt.

Im Fall des Art. 17 habe die FIFA nur zu prüfen, ob die Schutzzeit abgelaufen und die Kündigung zugegangen ist und dann den Transferschein auch gegen den Willen des abgebenden Vereins zu erteilen. Erst damit ist die Balance zwischen Vertragstreue und Freizügigkeit hergestellt.
Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass diese Grundsätze unmittelbar nur auf internationale Transfers, auch deutscher Spieler ins Ausland, anwendbar sind, weil bei einem Transfer auf nur nationaler Ebene nicht die FIFA für die Ausstellung der Spielberechtigung, sondern Ligaverband/DFL zuständig ist. Diese wird –anders als die FIFA- den Transfer nicht genehmigen. Dabei beruft sie sich aber auf eine Rechtsgrundlage, die nach den Grundsätzen einer berühmten Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes (BAG, Kienass Entscheidung) aus dem Jahr 1998 sittenwidrig und damit nichtig ist. Es ist aber davon auszugehen, dass auch diese Frage alsbald entschieden werden wird.
Dennoch muß einem allzu risikobereiten Umgang mit den Möglichkeiten des Art. 17 ohne genaue Prüfung der Rechtslage eine Absage erteilt werden. Häufig steht der Wunsch so schnell wie möglich bei einem andern Verein spielen zu können im Vordergrund, was durch eine provisorische Spielberechtigung sicher gestellt werden kann. Das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass für den Fall einer fehlerhaften Prognose möglicherweise mit einer zeitlichen Verzögerung erst im Hauptsacheverfahren neben hohen Entschädigungen, auch Sperre für den Spieler und Sanktionen für den aufnehmenden Verein drohen.

Wünschenswert wäre es also in erster Linie, dass sich alle beteiligten, einschließlich der Vereine, der Rechtswirklichkeit stellen und Ihr Verhalten, wie auch Ihre Verträge darauf abstellen.


 

 

Leave a Reply