Das Amtsgericht Düsseldorf hat am 3.5.2019 im Verfahren 55 C 233/18 die deutsche Fluggesellschaft Eurowings verurteilt, eine Entschädigung von 3.000 € nach der EU Fluggastrechteverordnung ( VERORDNUNG (EG) Nr. 261/2004 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 11. Februar 2004 )  an fünf Fluggäste zu zahlen, deren Flug EW 1100 von Düsseldorf nach New York JFK am 30.07.2018 mehr als 4 Stunden Verspätung bei der Ankunft in New York hatte. In dem Verfahren hatte Eurowings zuvor falsche Angaben über die tatsächliche Ankunftszeit am Zielflughafen gemacht und damit den Kläger und das Gericht getäuscht. Der Kläger betreibt gegenwärtig gegen Eurowings zudem die Zwangsvollstreckung, nachdem auch nach dem Urteil Zahlungsaufforderung und ein vorläufiges Zahlungsverbot die Fluggesellschaft nicht haben zur Zahlung bewegen können.

Der Kläger, Inhaber der Kanzlei WIESCHEMANN Rechtsanwälte befand sich mit seiner Frau und drei volljährigen Kindern am 30.07.2018 auf dem Flug nach New York, der planmäßig um 11.00 in Düsseldorf hätte starten und um 13:25 Ortszeit hätte in New York  eintreffen sollen. Bereits am Vortag hatte der Kläger per E-Mail die Information erhalten, dass die Abflugzeit auf 14.00 Uhr verschoben werde, die Fluggäste aber dennoch pünktlich zur ursprünglichen Abflugzeit einchecken sollten. Nachdem der Abflug mehrfach verschoben worden war, startete der Flug tatsächlich um 14:15, weil bereits der Vorflug von New York nach Düsseldorf EW1101 erst um 11:20 eingetroffen war. Eine Folge der engen Taktung der Flugumläufe, die vermeintlich kostengünstig sein sollen.

Der Zeitpunkt des Eintreffens in New York war zwischen den Parteien streitig. Nach der Fluggastrechteverordnung ( VERORDNUNG (EG) Nr. 261/2004 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 11. Februar 2004 )  beträgt bei der Flugstrecke von 6030 km Düsseldorf – New York die Entschädigung bei einer Verspätung bis zu 4 Stunden je Fluggast 300 €, bei einer Verspätung von mehr als 4 Stunden 600 € . Der Unterschiedsbetrag beläuft sich aus Sicht von Eurowings bei dem eingesetzten Flugzeug Airbus A 340 für ca 280 Fluggäste mehr als 80.000 €. Da lohnt sich offensichtlich zu streiten.

Außergerichtliche Aufforderungen zur Zahlung der vorgesehenen Entschädigung blieben ergebnislos. Es kam zum Prozessverfahren vor dem AG Düsseldorf. Der Kläger, der vor diesem Flug bereits mehrfach mit Flügen von Eurowings erhebliche Verspätungen zu beklagen hatte, dokumentierte mit seinem IPhone photographisch den Anflug, den Zeitpunkt des Aufsetzens auf dem Rollfeld, das Erreichen der Parkposition, das Öffnen der Türen und das Verlassen des Flugzeugs. Nach der Entscheidung des EUGH (EUGH C-204/08) ist die Möglichkeit des Fluggastes, das Flugzeug tatsächlich zu verlassen, der entscheidende Zeitpunkt für die Frage der „Ankunft“ im Sinne der Fluggastrechteverordnung. Anhand der Fotos mit den elektronisch eingebetteten Orts- und Zeitinformationen konnte der Kläger darlegen, dass das Flugzeug erst um 17:12 Ortszeit in New York aufsetzte, um 17:25:20 die Parkposition erreichte und um 17:33, also mit einer Verspätung von 248 Minuten die Türen öffnete.

Die ohnehin häufig desorientiert wirkenden Prozessbevollmächtigten von Eurowings verteidigten sich zunächst mit Ausführungen, die einen Zusammenhang mit dem Verfahren vermissen ließen. Sie legten dann dem Gericht Ausdrucke von Screenshots der angeblich in der Verkehrszentrale von Eurowings eingesetzten Software vor und behaupteten, dass es sich um automatisch fälschungssicher erzeugte Daten des ACARS (Aircraft Communications Addressing and Reporting System) Systems handeln würde. Die ACARS Daten würden angeblich beweisen, dass das Flugzeug um 17.03 in New York gelandet und um 17.12, mithin mit einer Verspätung von nur 228 Minuten die Parkposition erreicht habe.

Tatsächlich zeichnet ACARS bestimmte Flugzustände fälschungssicher auf. ACARS Daten sind für gewöhnlich für Fluggäste und Gericht nicht zugänglich. Das Gericht hielt in der ersten mündlichen Verhandlung die Behauptung von Eurowings für glaubwürdig und maß den Daten gegenüber den Fotos des Klägers einen höheren Beweiswert zu. Im Ergebnis erklärte sich der Kläger in einem Vergleich bereit, auf die Hälfte der geltend gemachten Entschädigung zu verzichten, um Dauer und Kosten eines Sachverständigengutachtens zu vermeiden.

Den Vergleich focht der Kläger nach der mündlichen Verhandlung wegen arglistiger Täuschung von Eurowings an.

Trotz des Vergleiches hatte sich der Kläger weiter um Aufklärung bemüht. Nachfragen bei der Deutschen Flugsicherung blieben ergebnislos, weil der Ankunftsort außerhalb der EU liegt, die amerikanische Flugsicherung befand sich zu dem Zeitpunkt im „shutdown“ und bestätigte die Angaben des Klägers zwar telefonisch, nicht aber schriftlich. Mithilfe eines kostenpflichtigen Zugangs zu flightradar24 ermittelte der Kläger aber die tatsächlichen Flugdaten des mit einem ADB-S Transponder ausgestatten Flugzeugs des Typs Airbus A 340, die die Daten auf Fotos des Klägers sekundengenau bestätigten. Offenkundig handelte es sich also bei den von Eurowings dem Gericht vorgelegten Daten nicht um ACARS Daten, oder sie wurden zum Zweck der Vorlage bei Gericht verfälscht. Nachweisbar falsch waren die Behauptungen in jedem Fall.

Eurowings versuchte sich zwar im weiteren Verfahren noch mit einem erneut vorgelegten unvollständigen screenshot und einem Schriftsatzfragment zu verteidigen, unterlag aber im Prozess. Zu dem Zeitpunkt, zu dem nach der Behauptung von Eurowings sich das Flugzeug bereits in Parkposition befunden haben soll,  befand es sich nach den Feststellungen des Urteils tatsächlich noch in Fahrt auf dem Rollfeld. Das Gericht legte schlussendlich die vom Kläger bereitgestellten Daten dem Urteil zugrunde und verurteilte Eurowings zur Zahlung einer Entschädigung von 600 € je Fluggast.

Eurowings liegt spätestens seit der Übernahme von Air Berlin stets auf den vorderen Plätzen der Liste der unpünktlichsten Fluggesellschaften in Europa und erreichte nach einer Veröffentlichung des Portals flug-verspaetet.de 2018 nur eine Pünktlichkeitsquote von 65%. Über schleppende Bearbeitung und verweigerte Entschädigungszahlungen gibt es eine Vielzahl von Berichten verärgerter Reisender. Der Kläger kennt dies auch aus vorangegangenen Verspätungen mit Eurowings. Dass sich aber eine deutsche Fluggesellschaft im Prozessverfahren mit nachweisbar falschen Tatsachenbehauptungen versucht gegen Entschädigungszahlungen zu wehren, hat eine neue Qualität. Auch eine vergleichbar konfuse Prozessführung hat der Kläger in 25 Jahren als Anwalt kaum erlebt. Dass die Fluggesellschaft zudem trotz des Urteils nicht Zahlung leistet und eine Zwangsvollstreckung erforderlich macht, ist offensichtlich ein Zeichen der Desorganisation, die zum Schluss auch nicht mehr verwundert.

Das Verfahren zeigt aber auch eine klare Aufgabe an die Politik. Es ist unzureichend den Fluggästen bei einer Verspätung einen Anspruch auf Entschädigung zu gewähren, den sie selbst nicht effektiv durchsetzen können, wenn nur die Fluggesellschaften über qualifizierte Daten über Abflug und Ankunft verfügen. Im Zivilprozess ist stets der Kläger verpflichtet, die Flugverspätung zu beweisen, was in Grenzfällen oft nicht gelingt. Der Zugang zu den Daten von flightradar24 für zurückliegende Flüge ist nicht jedem bekannt und zudem kostenpflichtig. Die Deutsche Flugsicherung gibt nach dem Informationsfreiheitsgesetz zwar Auskunft, erhebt aber Gebühren von 75 € und hat keine notwendigen Flugdaten von Zielen außerhalb der EU. Zugang zu ACARS Daten hat der Fluggast nicht. Beruft sich die Fluggesellschaft darauf, hat der Fluggast in der Regel verloren, auch wenn sich hinterher herausstellt, dass solche Daten manipuliert sind.

Effektiver Verbraucherschutz erfordert also den offenen und kostenfreien Zugang zu verlässlichen Daten über Abflugzeiten und das Öffnen der Türen. Erst mit der Einrichtung einer webbasierten Datenbank mit allen Flügen von und in die EU sehen sich Verbraucher in der Lage, Flugverspätungen nachzuweisen und ihren Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung nach der Fluggastrechteverordnung durchzusetzen. Solange aber die Fluggesellschaften ohne Sanktionsdrohung die Befriedigung von Entschädigungszahlungen verschleppen oder vereiteln können, wird der Veränderungsdruck nie so hoch sein, dass die Fluggesellschaften endlich das machen, was der Fluggast von ihnen erwarten darf – pünktlich am Zielort ankommen.