Brenna Huckaby und Cecile Hernandez behalten ihre bei den Paralympischen Spielen in Peking 2022 gewonnen Medaillen.
Brenna Huckaby (USA) und Cecile Hernandez (FRA) haben sich die Teilnahme an den Paralympischen Winterspielen in Peking 2022 vor Gericht durch einstweilige Verfügungen erkämpft und jeweils Goldmedaillen gewonnen. Wenn es nach dem Internationalen Paralympischen Committee IPC gegangen wäre, hätten sie die Medaillen nicht behalten dürfen. Ein Hauptsache Verfahren war erforderlich, das heute am 8. Dezember 2022 vor dem Landgericht in Köln verhandelt wurde.
In dem Verfahren hat das IPC die Entscheidungen des OLG Düsseldorf und des LG Köln im Verfügungsverfahren, aufgrund deren die Athletinnen in Peking teilnahmen und gewannen, als endgültig anerkannt.
Beide Weltklasseathletinnen starten seit Jahren in der Klasse SB LL-1 und haben in den Wettbewerben Banked Slalom und Snowboard Cross bei Weltmeisterschaften und Paralympischen Winterspielen Medaillen gewonnen. Brenna Huckaby hat nach einer Knochenkrebserkrankung 2010 ihr rechtes Bein oberhalb des Knies verloren. Cecile Hernandez leidet seit 2002 an Multipler Sklerose.
Für die paralympischen Winterspiele Peking 2022 hatte das IPC Wettkämpfe in der Klasse SB LL-1 keine Rennen vorgesehen, da zu wenig Teilnehmerinnen auf ausreichend hohem Niveau vorhanden seien, um einen eigenen Wettbewerb durchzuführen. Beide Athletinnen hatten sich darum beworben, in der Klasse SB-LL2 an den Spielen teilnehmen zu dürfen, was ihnen verweigert wurde.
Sie wandten sich an Rechtsanwalt Christof Wieschemann, WIESCHEMANN Rechtsanwälte, aus Bochum, der als Fachanwalt für Sportrecht in Bochum seit Jahren erfolgreich Athleten aus der ganzen Welt gegen die großen Sportverbände vertritt. In einstweiligen Verfügungsverfahren vor den Kartellabteilungen des Landgerichts Köln und des Oberlandesgerichts Düsseldorf konnte er den Teilnahmeanspruch seiner Mandantinnen in der Klasse SB LL-2 am Ende nach Androhung der Zwangsvollstreckung durchsetzen. Brenna Huckaby gewann in Peking Gold im Banked Slalom und Bronze im Snowboard Cross. Cecile Hernandez gewann Gold im Snowboard Cross.
Bei den Paralympischen Spielen in Peking hatten die Teams aus Kanada und China gegen die Teilnahme Protest eingelegt. In dem Verfahren vor dem LG Köln ging es jetzt im Hauptsacheverfahren um die Frage, ob die Teilnahme rechtmäßig war und die Athletinnen die Medaillen behalten dürfen.
Bisher sind die Gerichte der Argumentation von Rechtsanwalt Wieschemann gefolgt, dass nach den Klassifikationsregeln des IPC die Athletinnen und Athleten der Klasse SB LL-2 einen geringeren Grad der funktionellen Beeinträchtigung bei den sportspezifischen Anforderungen des Snowboard verfügen, als jene in der Klasse SB LL-2. Das ergibt sich unmittelbar aus den Regeln selbst und den wissenschaftlichen Gutachten, die den Regeln zugrunde liegen. Die Teilnehmerin in der Klasse SB LL-2 erfahren also keinen Nachteil, wenn Athletinnen der Klasse SB LL-1 an ihren Wettbewerben teilnehmen. Ein Ausschluss der Athletinnen SB LL-1 durch das IPC ist ein Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung ohne sachliche Rechtfertigung.
Das IPC beruft sich auf seine Autonomie und sieht das gesamte Klassifikationssystem gefährdet. Nach Auffassung des IPC stehen die einzelnen Klassen nicht in einem qualitativen Verhältnis zueinander. Vielmehr würde es sich um „ganz unterschiedliche Aktivitäten“ handeln.
Das findet aber nach Auffassung von Ra Wieschemann und der Gerichte im Regelwerk keinen Ausdruck.
Vielmehr hat das IPC von seiner Regelungsautonomie bereits Gebrauch gemacht und die einzelnen Klassen selbst definiert. Der Wille des IPC ist nur insoweit zu berücksichtigen, wie er sich für den Rechtsanwender aus den Regeln ergibt.
Das System unterscheidet nach der selbstgewählten definition nach bestimmten Ordnungsmerkmalen und deren abstrakter Eignung, die funktionelle Leistungsfähigkeit zur Erfüllung der disziplinspezifischen Anforderungen zu beeinflussen. Dabei werden Grade von Funktionsbeeinträchtigungen definiert, die sich aus ansteigenden Skalenwerten anerkannter Untersuchungsmethoden bei den einzelnen Arten von körperlichen Beeinträchtigungen ergeben.
Zweifelsohne ist der Grad der funktionellen Beeinträchtigung bei Frauen in der Klasse SB ll-1 höher und die Fähigkeit, bestimmte Bewegungen im Para-Snowboard auszuführen, im Vergleich zur Klasse SB LL-2, geringer. Das Gericht hat in der mündlichen Verhandlung erkennen lassen, dass es an dieser Rechtsauffassung, auch des OLG Düsseldorf, festhalten würde. Das IPC hat dann aus Respekt gegenüber den Leistungen der Athletinnen die bereits getroffenen Entscheidungen als verbindlich anerkannt, wenn auch unter Aufrechterhaltung der eigenen abweichenden Auffassung.
In dem Verfahren ging es nicht nur um die Medaillen der beiden mutigen Athletinnen. Es wird für die Auslegung der Klassifikationsregeln in der Zukunft wesentliche Bedeutung haben.
Nicht geklärt werden konnte leider die von Ra Wieschemann erstrebte weitergehende Feststellung, dass Athleten und Athletinnen der Klasse SB LL-1 grundsätzlich in Rennen der Klasse SB LL-2 startberechtigt sind, wenn im gleichen Wettbewerb für ihre Klasse keine Rennen ausgetragen werden. Im Laufe des Verfahrens hat das IPC die Verantwortung für World Para Snowboard auf die FIS, den Welt Ski Verband, übertragen. Daraufhin haben die Parteien das Verfahren für erledigt erklärt.
Rechtsanwalt Wieschemann vertritt weitere paralympische Athleten, zum Teil in ähnlich gelagerten Fällen, zum Teil mit dem Ziel einer grundsätzlichen Überprüfung der Klassifikationspraxis.