Dynamo Dresden: Zweifel an der Rechtmäßigkeit von Dresdens Pokalausschluss

Rechtsanwalt und Sportrechtlecher Wieschemann über den Pokalausschluss Dynamo Dresdens nach Fan-Krawallen im Bericht des SPIEGEL.

Der Bericht vom 07.03.2013:

Ein Verein haftet für das Fehlverhalten seiner Fans: Klarer Fall, zumindest nach Ansicht des DFB-Sportgerichts, das Dynamo Dresden deshalb aus dem Pokal ausgeschlossen hat. Nicht rechtens, sagen jetzt Sportjuristen. Sie hoffen in der Berufungsverhandlung auf ein neues Grundsatzurteil.

Seine Enttäuschung konnte Christian Müller nicht verbergen, als er Mitte Dezember vor die Fernsehkameras trat: „Das Sportgericht hat uns eindeutig bescheinigt, dass Dynamo Dresden nichts falsch gemacht hat“, sagte er mit erschöpfter Stimme. Dann zuckte er die Schultern: „Wir werden dennoch vom Pokal 2013/2014 ausgeschlossen.“ Der Geschäftsführer des Zweitligisten hatte gerade eine lange Verhandlung hinter sich gebracht, an deren Ende Hans E. Lorenz, Vorsitzender des DFB-Sportgerichts, das niederschmetternde Urteil verkündet hatte. Wegen des „fortgesetzten unsportlichen Verhaltens seiner Anhänger“ beim Pokalspiel gegen Hannover 96 am 31. Oktober wurde der Zweitligist mit dem Pokalausschluss bestraft.

Dresdner Fans hatten vor der Partie in Hannover die Stadioneingänge gestürmt und im Fanblock Pyrotechnik gezündet. Drei Anhänger wurden festgenommen, neun Menschen verletzt. Schon im Jahr zuvor war es beim Pokalspiel gegen Dortmund zu Ausschreitungen der Dynamo-Fans gekommen, in der Berufung hatte der Club einen Ausschluss aber abwenden können.

Auch nach dem jüngsten Urteil legte der Verein Berufung ein, an diesem Donnerstag ab 12.30 Uhr wird die Angelegenheit erneut verhandelt, diesmal vor dem DFB-Bundesgericht. Schon im Dezember hatte Dynamo-Boss Müller gesagt: „Ich glaube, dass diese Art der Rechtssprechung für das gesellschaftliche Problem, vor dem der gesamte Fußball steht, nicht förderlich ist.“ Gemeint hatte er: Es könne nicht sein, dass ein Verein für das Fehlverhalten von Anhängern bestraft wird, ohne dass man gezielt gegen die eigentlichen Übeltäter vorgehe – und obwohl der Club nach eigener Aussage alles in seiner Macht stehende getan habe, um die Probleme zu bekämpfen.

Probleme mit der Definition der Anhänger

Ihm springt nun der Sportrechtler Christof Wieschemann zur Seite: „Das erstinstanzliche Urteil des DFB-Sportgerichts wird den rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht gerecht“, sagt er SPIEGEL ONLINE. „Es basiert auf der sogenannten verschuldensunabhängigen Haftung der Vereine. Doch das kann so nicht funktionieren, es fehlt die gesetzliche Legitimation.“ Denn im deutschen Recht hafte stets der, der sich fahrlässig oder bewusst fehlverhalten habe. „Einzige Ausnahme: Bei nicht beherrschbaren Gefahren wie bei Tieren haftet der Halter“, sagt Wieschemann.

Ein weiteres Problem ergebe sich durch die Definition der Anhänger: „Wer ist das überhaupt? In den wenigsten Fällen lässt sich mehr als eine diffuse Masse bestimmen. Viele der Krawallmacher tragen ja nicht einmal Fanutensilien wie Schals. Sind sie dann überhaupt Anhänger im eigentlichen Sinn?“ Der Anwalt greift damit ein Argument von Dynamo-Geschäftsführer Müller auf: „Leute, die im Namen des Vereins für solche Ausschreitungen sorgen, sind keine Fans, es sind Kriminelle, die unseren Verein zerstören wollen“, hatte er nach einer Krisensitzung im Februar gesagt.

Den Verein trifft laut Beweisführung keine Schuld

Kurz zuvor waren Dynamo-Anhänger beim Zweitligaspiel gegen den 1. FC Kaiserslautern einmal mehr mit außergewöhnlicher Brutalität aufgefallen. Der Club beschloss daraufhin einen Vier-Punkte-Plan, der unter anderem den Ausschluss der eigenen Fans von mehreren Auswärtsspielen, die engere Zusammenarbeit mit der Ultraszene, aber auch eine harte Bestrafung all jener Straftäter vorsieht, die ermittelt werden können.

„Wie viele andere Vereine versucht Dynamo Dresden, der Situation Herr zu werden – und muss trotzdem für das Vergehen anderer haften“, sagt Wieschemann. Tatsächlich beginnt die SPIEGEL ONLINE vorliegende Urteilsbegründung des DFB-Sportgerichts mit dem Satz: „Es ist zutreffend, dass dem Verein Dynamo Dresden kein Verschulden nachzuweisen war.“ Gleichwohl sei das „Fehlverhalten der sogenannten Anhänger von Dynamo Dresden dem Verein zuzurechnen“. Doch weil der Verband die Straftäter nicht direkt belangen könne, müsse der Club zur Abschreckung hinhalten, sagt Wieschemann.

„Dass dieser Sanktionsmechanismus nicht funktioniert und keinen positiven Einfluss auf das Verhalten der Anhänger hat, zeigen die jüngsten Erfahrungen im deutschen Fußball“, sagt der Jurist. Trotzdem müssten sogar völlig unbeteiligte Vereine – wie jetzt auch der VfB Stuttgart wegen der Bestrafung von Lazio Rom in der Europa League – mit den Konsequenzen leben.

Würde die Verhandlung vor einem staatlichen Gericht geführt, käme nach Wieschemanns Ansicht ein völlig anderes Urteil heraus. „Die Begründung des Sportgerichts würde vermutlich keiner zivilrechtlichen Kontrolle standhalten“, sagt er. Kritik an der Professionalität der Sportgerichte äußert auch der renommierte Sportrechtler Michael Lehner gegenüber SPIEGEL ONLINE: „Es handelt sich um Verbandsgerichte, die es nicht so gewohnt sind, objektiv zu urteilen. Ihnen fehlt die Unabhängigkeit eines staatlichen Gerichts.“

Sara Peschke

http://www.spiegel.de/sport/fussball/zweifel-an-rechtmaessigkeit-von-dresdens-pokalausschluss-a-887311.html

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