DFL schöpft Möglichkeiten des gegenwärtigen Verfahrens nicht aus
Von Rechtsanwalt Christof Wieschemann, Bochum
Das Lizenzierungsverfahren der DFL in seiner gegenwärtigen Struktur ist nicht in der Lage, als Steuerungsinstrument dauerhafte wirtschaftliche Stabilität der Ligateilnehmer und Glaubwürdigkeit an das Verfahren zu gewähr-leisten. Die DFL sucht sich durch in der gewollten Konsequenz unwirksame Klauseln in den Lizenzierungsbedingungen und dem Lizenzvertrag der Kontrolle zu entziehen, wodurch sie sich selbst Zweifeln an einer Gleichbehandlung aller Teilnehmer und der Anwen-dung ausschließlich sachgerechter Motive aussetzt. Dem Lizenzierungsverfahren fehlt es an der Einbeziehung von Nachhaltigkeitskriterien und der nur durch Vorlage einer Konzernbilanz gewährten Gesamtschau.
Die DFL hat es aber bereits bei der Lizenzentscheidung 2004 versäumt, die Möglichkeiten des gegenwärtigen Verfahrens auszuschöpfen.
1. Kontrollrechte
Durch die Vorschriften in § 11 Abs. 1 LO über die Beschränkung des Kontrollrechtes der Entscheidung der DFL im Lizenzierungsverfahren durch Dritte und die Vorschrift in § 3 Satz 2 des Lizenzvertrages über den Ausschluss von Schadensersatzansprüchen, sucht sich die DFL jeder Kontrolle ihrer Entschei-dungen zu entziehen. Zwar sind beide Normen in ihrer bezweckten Konsequenz als un-wirksam anzusehen, sie erfüllen gleichwohl ihren Zweck, solange andere Teilnehmer sie zumindest für wirksam halten.
Damit provoziert die DFL selbst Zweifel daran, dass sie sich im Lizenzierungsverfahren stets nur von im Verfahren selbst begründeten Motiven leiten lässt. Borussia Dortmund, genauso wie Schalke 04 sind starke Marken im Fußballgeschäft und wertbildende Faktoren im Rahmen der Gesamtvermarktung und des Ansehens der Bundesliga. Für diese Überlegung ist allerdings im Lizenzierungsverfahren kein Raum. Gegenstand der Überprüfung ist ausschließlich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, soweit diese zur Aufrechterhaltung des Spielbetriebs erforderlich ist. Den Verdacht der Kungelei zugunsten der großen und zu Lasten der kleinen Ligateilnehmer kann sich die DFL nur durch mehr Transparenz, zumindest gegenüber den Mitbewerbern bei Einhaltung eines wechselseitigen Verschwie-genheitskodexes entziehen. Allein die Erwartung, dass die eigene Entscheidung neutraler Überprüfung unterzogen werden kann, verändert bereits die Entscheidungsfindung.
2. Langfristbetrachtung
Der Fall Borussia Dortmund dokumentiert zumindest, dass im Rahmen der Lizenzierung die Betrachtung nur der nächsten Spielzeit unter reinen Liquiditätsgesichtspunkten nicht genügend ist. Es bedarf zwingend einer höheren Gewichtung von Nachhaltigkeitskriterien, wie der Beurteilung der Vermögensentwicklung. Die ist zwar auch jetzt schon Gegenstand des Verfahrens (Anhang XI, Abschnitt II LO), wird aber zumindest in der praktischen Anwendung nicht ausreichend gewichtet. Angeblich soll sich die DFL an einer sachgerechteren Ausgestaltung des Lizenzverfahrens mit einer Einbeziehung der Vermögenslage durch ein Urteil aus dem Jahre 1982 gehindert sehen. Dabei handelt es sich um eine Entscheidung des Landgerichtes Frankfurts im Zusammenhang mit dem Lizenzierungsverfahren zuguns-ten des TSV 1860 München für die Spielzeit 1982 / 1983. Grundlage des Urteils waren aber nur die Maßstäbe im zwischenzeitlich ohnehin durch andere Vorschriften des Liga-verbandes ersetzten § 5 d Lizenzspielstatut des DFB, die darüber hinaus vom Gericht nicht beanstandet wurden. 1860 München war im Rechtsstreit unterlegen. Das Urteil steht einer anderen Gestaltung des Verfahrens nicht ent-gegen. Was aber dann?
3. Konzernbilanzierung
Die DFL beschränkt sich in der Lizenzierungsordnung, insbesondere in Anhang VII, darauf, wirtschaftliche Daten lediglich des Ligateilnehmers zu fordern und zu bewerten. Professor Küting weist allerdings insbesondere in seinem Interview vom 24.02.2005 zutreffend daraufhin, dass nahezu sämtliche Teilnehmer lupenreine Konzerne sind, die ihre geschäftlichen Aktivitäten in Bereichen der Reha, des Marketings, des Sponsorings, des Caterings usw. in Tochtergesellschaften ausgegliedert haben. Das Verschieben von Vermögenswerten innerhalb des Konzerns führt bei den Ligateilnehmern selbst zur Ergebnis- oder Eigenkapitalverbesserung. Die Saldierung der Ansätze bei dem Ligateilnehmer und der Tochtergesellschaft in der Konzernbilanz würde hingegen zu Neutralisierung führen. Freilich darf man nicht vergessen, dass die von Herrn Professor Küting als „Bilanz-schminke“ bezeichnete Art der Buchführung legal ist und deren Anwendung allein keinen Indizwert für die wirtschaftliche Leistungsfä-higkeit oder deren Fehlen hat. Vor diesem Hintergrund dient aber der Verzicht der Vorlage konsolidierter Konzernbilanzen nicht der Herstellung von Glaubwürdigkeit und Verläss-lichkeit des Verfahrens.
4. Anwendung bestehender Kriterien bei der Lizenzierung 2004
Der BVB durfte aufgrund der Tabellensituation im Frühjahr 2004 für die Spielzeit 2004/2005 nicht von höheren Einnahmen aus Spielbetrieb ausgehen, als im Geschäftsjahr 2003/2004. Für dieses GJ wies BVB bereits einen negativen Cash Flow aus betrieblicher Tätigkeit von € 25 Mio und aus Investitionstätigkeit von 21,8 Mio aus (Geschäftsbericht Seite 77). Selbst wenn damals die Erwartung bestand, für 2004/2005 trotz der Bauver-pflichtungen für die WM die Investitionen deutlich zu senken und Transferüberschüsse erzielen zu können und darüber hinaus die Kosten des Lizenzspielerkaders senken zu können (um ca. 20 %), war damals bereits absehbar, dass eine Kapitalerhöhung durch Herausgabe von 9.750.000 Aktien zu einem Kurs von ca. € 3.00 gerade ausreichen würde, um den operativen Liquiditätsbedarf bis 30.6.2005 zu decken. Zum gleichen Zeitpunkt wies der GB Seite 71 aber bereits Verbind-lichkeiten mit einer Restlaufzeit von kleiner 1 Jahr in Höhe von € 65 Mio aus, für deren Ausgleich keine Mittel zur Verfügung standen. Darin enthalten waren anscheinend noch nicht die € 20 Mio, die BVB möglicherweise im Zusammenhang mit dem Gerling Vertrag zum 30.6.2005 zu zahlen haben wird. Diese hätten in der Tabelle Seite 72 als sonstige Verbindlichkeiten mit einer Restlaufzeit 1-5 Jahre ausgewiesen werden, sollen aber nach Angaben von Herrn Meier in der PK erst jetzt in einer zu bildenden Rückstellung erfasst werden. Auf Seite 67 heißt es überdies „In 2003/2004 ist ein Forderungskauf- und Abtretungsvertrag zur Vorfinanzierung ausstehender Forderung die Saison 2004/2005 betref-fend in Höhe von € 12,4 Mio vorgenommen worden“. Das dürfte ein Hinweis sein, das BVB sich bereits 2003/2004 hat zukünftige Einnahmen vorfinanzieren lassen, die in der Saison 2004/2005 zwangsläufig fehlen würden. Diese Zahlen sind die logische Fortsetzung des Halbjahresberichtes zum 30.12.2003 und entsprechen dem Kenntnisstand zum Zeitpunkt der Lizenzentscheidung im Juni 2004.
Aufgrund der im Lizenzierungsverfahren bekannten Zahlen kamen die hauptamtlichen, für die Prüfung der Unterlagen qualifizierten Mitarbeiter der DFL nach der Meldung des Kicker vom 14.10.2004 bereits zu dem Ergebnis, dass eine Lizenz nicht zu erteilen sei. Darüber setzte sich der Vorstand hinweg.
Fazit
Das Lizenzierungsverfahren will und soll nicht nur Kontroll-, sondern auch ein Steuerungsin-strument sein, mit dem die finanzielle Solidität und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Klubs verbessert werden soll (Präambel der Lizenzierungsordnung). Das kann es aber nur sein, wenn das Verfahren eine Langfristbetrachtung der im Konzern verbundenen Unternehmen eines Ligateilnehmers ermöglicht und seinerseits durch neue Kontrollmechanismen sicherstellt, dass Lizenzentscheidungen ausschließlich durch im Verfahren selbst begründete Erwägungen bestimmt sind und sich nicht durch andere, möglicherweise sportpolitische Motive beeinflussen lassen.
Rechtsanwalt Wieschemann ist in Bochum vorwie-gend wirtschaftsrechtlich, aber auch sportrechtlich tätig. Er ist Mitglied des Arbeitskreises Sportrecht im Deut-schen Anwaltverein seit dem Jahr der Gründung 2000