Freizeitfußballer dürfen weiter straffrei grätschen

Rechtsanwalt Wieschemann kommentiert als Anwalt des Beklagten für den SPIEGEL die Entscheidung des OLG Hamm bezüglich der Schadensersatzforderung eines Amateurkickers in Höhe von 50.000 Euro.

Der Bericht 27.11.2012:

50.000 Euro Schadensersatz wegen einer Grätsche: Fußballer müssen für rüde Fouls haften, urteilte das Oberlandesgericht Hamm am Montag und sorgte damit für heftige Diskussionen unter Amateurfußballern. Die können aber aufatmen: Das Urteil gilt nur bei grober Rücksichtslosigkeit.

Grätschen fortan verboten? Das könnte man nach dem jüngsten Urteilsspruch des Oberlandesgerichts Hamm gegen einen Dortmunder Amateurfußballer vermuten. Der Aufschrei in Fußballerkreisen war entsprechend groß, eine Diskussion brach los. Die Spielergewerkschaft VdV fand das Urteil richtig. Freizeitkicker hatten jedoch die Sorge, dass sie jetzt bei jeder Grätsche Angst haben müssen, von einem Gericht zur Kasse gebeten zu werden.

«Ganz klar: nein. Es geht hier um grob rücksichtslose Fouls», sagt Christian Nubbemeyer, Pressesprecher des Oberlandesgerichts Hamm. Bei Risikosportarten wie Fußball könne immer etwas passieren. Für Verletzungen, die sich im Rahmen der «gebotenen Härte», wie es in dem Urteil heißt, ereignen, müsse niemand haften. Sei aber zum Beispiel der Ball nicht in der Nähe, wenn ein Spieler seinen Gegner brutal umgrätsche, dann mache er sich haftbar.

Im Urteil vom Montag hatte das Oberlandesgericht Hamm eine Schadensersatzforderung eines Amateurfußballers bestätigt, der in einem Dortmunder Kreisliga-Spiel im April 2010 durch ein grobes Foulspiel eine schwere Verletzung erlitten hatte. Das Gericht befand, dass Fußballer für rüde Foulspiele mit Verletzungsfolgen zivilrechtlich haftbar gemacht werden können.

«Das sehen wir genauso, und bei Rücksichtslosigkeit ist das auch völlig richtig», sagt der Anwalt des Beschuldigten, Christof Wieschemann, SPIEGEL ONLINE. «Aber gerade im Amateurfußball ist es unglaublich schwierig zu beweisen, ob das Foul jetzt rücksichtslos war oder nicht, da es keine Kameras, sondern nur Zeugenaussagen gibt.»

Im Dortmunder Streitfall hatte der Verteidiger seinem Gegenspieler in die Kniekehle gegrätscht. Dabei verletzte er ihn so schwer, dass dieser seinen Beruf als Maler und Lackierer auch gut zweieinhalb Jahre nach dem Foul noch nicht wieder ausüben kann. Wieschemann beurteilt das als unglückliche Situation im Rahmen der gebotenen Härte. Im Urteilsspruch heißt es jedoch, dass der Spieler «den Grenzbereich der noch hinzunehmenden Härte deutlich überschritten habe».

Prinzipiell ist das Urteil nichts Neues, im Amateurfußball gibt es solche Fälle immer wieder. So bezieht sich das Hammer Gericht auf frühere Urteile des Bundesgerichtshofs (BGH) von 1976 und 2010. «Das Oberlandesgericht wollte lediglich die gültige Rechtsprechung prägnant ins Bewusstsein bringen», sagt Pressesprecher Nubbemeyer.

Der DFB sieht das anders. «Das Urteil hat Auswirkungen für den ganzen Fußball», sagte DFB-Vizepräsident Karl Rothmund. Allerdings sind solche Urteile im Profifußball im Vergleich zu den Amateurligen eher selten, da die Berufsfußballer als Arbeitnehmer nicht bei grober Fahrlässigkeit, sondern nur bei vorsätzlich hervorgerufenen Verletzungen haften müssen.

Im August war der ehemalige Bochumer Fußballprofi Matías Concha mit einer Klage gegen seinen früheren Gegenspieler Macchambes Younga-Mouhani von Union Berlin vor dem Landgericht Berlin-Tegel gescheitert. Concha hatte sich im Spiel beim 1. FC Union am 6. Dezember 2010 bei einem Zusammenprall mit Younga-Mouhani das Schien- und Wadenbein gebrochen und seinen Gegenspieler auf bis zu 200.000 Euro Schmerzensgeld verklagt.

Im Dortmunder Fall übernimmt die Haftpflichtversicherung des beschuldigten Spielers die 50.000 Euro Schadensersatz. «Ich empfehle jedem Amateurkicker eine Unfallversicherung und eine Haftpflichtversicherung. Sonst kann das üble Folgen haben», sagt Anwalt Wieschemann.

Frederik Schäfer

http://www.spiegel.de/sport/fussball/fussballer-haften-nur-bei-grober-fahrlaessigkeit-a-869575.html

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