Lizenzierungsverfahren der DFL und die Insolvenzantragspflicht

Verletzung von Pflichten und Schadenersatz im Zusammenhang mit dem Lizenzierungsverfahren der DFL und der Insolvenzantragspflicht

von Rechtsanwalt Christof Wieschemann und Rechtsreferendar Jan Froehner, Bochum

Führende Sportrechtler in Deutschland haben sich aus Anlass der Herbsttagung des Konstanzer Arbeitskreises für Sportrecht e.V. allgemein mit dem Thema „Lizenzentzug und Haftungsfragen im Sport“ befasst. Das Erscheinen des gleichnamigen Bandes war für die Autoren Anlass für eine zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehene Untersuchung, die sich konkret mit Fragen der Überprüfbarkeit von Lizenzierungsentscheidung der DFL und mit Schadenersatzpflichten der Beteiligten untereinander auseinandersetzt. Sie gelangen darin zu der Auffassung, dass sowohl die DFL, wie auch die Beteiligten untereinander für Fehler im Lizenzierungsverfahren haften und schadenersatzpflichtig sind. Vereine haben die Möglichkeit auch solche Entscheidungen in Lizenzierungsverfahren gerichtlich überprüfen zu lassen, an denen sie selbst nicht beteiligt sind. Dabei kommt konkurrierenden Bewerbern eine Beweislastumkehr zu Hilfe. Die entgegenstehenden Klauseln in der Lizenzierungsordnung (LO) und dem Lizenzvertrag sind unwirksam. Das Insolvenzrecht sieht auch bei der Unfähigkeit zum Ausgleich geringfügiger Verbindlichkeiten die Insolvenzantragspflicht vor. Die Veröffentlichungen der letzten Tage im Zusammenhang mit dem BVB und die Aussagen von Willi Lemke (Bremen) und Heribert Bruchhagen (Frankfurt) bilden den aktuellen Bezug.

I. Ausgangslage
Die Entscheidung über den Lizenzantrag eines Bewerbers hat im Regelfall für Mitbewerber, deren Teilnahme an der ersten -wegen sicherer Erfüllung der sportlichen Qualifikation- oder an der 2. Bundesliga -wegen sicherer Nichterfüllung der sportlichen Qualifikation- bereits feststeht, nur nachrangige Bedeutung. In der Grauzone zwischen Auf- und Abstieg sind aber vitale Interessen des Mitbewerbers unmittelbar betroffen. Wird einem sportlich qualifizierten Teilnehmer während der Saison die Lizenz entzogen, oder für die nächste Saison nicht erteilt, so scheidet der Bewerber nach § 10 LO aus der betreffenden Liga aus. An seiner statt verbleibt der Tabellensechzehnte in der Liga. Dies war am Ende der Saison 2003/2004 Eintracht Frankfurt, dies ist nach gegenwärtiger Tabellensituation der VfL Bochum.
Das Lizenzierungsverfahren des Ligaverbandes, der sich seinerseits der Dienste der DFL im Verfahren bedient (§ 19 II der Satzung des Ligaverbandes), war bisher allerdings gerichtlicher Kontrolle durch Mitbewerber weitgehend entzogen. Dies ergibt sich aus den vom Ligaverband/DFL selbst gesetzten Regelungen. Nach § 11 II der Lizenzierungsordnung steht das Recht der Anfechtung von Entscheidungen der DFL nur dem am jeweiligen Verfahren beteiligten Bewerber zu, nicht aber anderen Bewerbern.
Verfahren, die die Rechtmäßigkeitskontrolle einer Entscheidung zugunsten eines Mitbewerbers zum Gegenstand haben, sucht man also vergebens. Auch die unter großer öffentlicher Aufmerksamkeit im Juli 2002 zwischen Eintracht Frankfurt, der Spielvereinigung Unterhaching und dem Ligaverband ausgetragene gerichtliche Auseinadersetzung bildet hierzu keine Ausnahme. Hier hatte Eintracht Frankfurt erst im Verfahren vor dem Ständigen Schiedsgericht für Vereine und Kapitalgesellschaften der Lizenzligen in Stuttgart seine eigene Teilnahme am Spielbetrieb der 2. Bundesliga für die Saison 2002/2003 durchgesetzt. Vor dem OLG Stuttgart verlangte die Spielvereinigung Unterhaching vergeblich Aufhebung dieses Schiedsspruches (mit dem Ziel der eigenen Teilnahme am Wettbewerb), nachdem sie zuvor gleichfalls vergeblich vor dem OLG Frankfurt einstweiligen Rechtschutz begehrt hatte. Eine Überprüfung der Entscheidung der DFL erfolgte nur auf den Antrag des zunächst abgewiesenen Bewerbers selbst, während Gegenstand der von der Spielvereinigung Unterhaching betriebenen Verfahren im wesentlichen die Überprüfung von Verfahrensvorschriften des Schiedsverfahrens war.
Auch eine gerichtliche Befassung mit Schadenersatzansprüchen im Zusammenhang mit dem Lizenzierungsverfahren erfolgte bislang nicht. Grund hierfür ist die in erster Linie von den Beteiligten selbst für wirksam gehaltene Vorschrift des § 3 Satz 2 des Lizenzvertrages, nach der insbesondere Schadenersatzansprüche gegenüber Ligaverband und DFL ausgeschlossen sein sollen, „es sei denn, ein Teilnehmer wiese nach, dass die Schädigung vorsätzlich oder grobfahrlässig (…) erfolgt ist“.
Die Nachrichten der letzten Tage haben nach eigenen Angaben des BVB eine Liquiditätslücke bis zum 30.6.2004 von nahezu 30 Millionen Euro offenbart, die durch ein Sanierungs-, oder besser Stundungskonzept geschlossen werden soll, dem die Gläubiger zwischenzeitlich zugestimmt haben. Freilich bedarf es zur endgültigen Annahme noch der Genehmigung von 75 % der 5600 Anteilseignern des Molsiris Fond, die diese auf der Gesellschafterversammlung am 14.3.2005 , einem Tag vor dem Ende der Abgabefrist für die Lizenzierungsunterlagen bei der DFL, erklären sollen. Nach den öffentlich zitierten Inhalten der Unterrichtung an die Eigner ist der BVB seinen Zahlungsverpflichtungen (je nach Quelle zwischen 15 und 17 Millionen jährlich) aus dem Vertrag zumindest in diesem Jahr noch nicht nachgekommen. Das erscheint mit den Pflichten des Insolvenzrechtes unvereinbar.

II. Rechtslage
Gegen die Wirksamkeit der Vorschriften des Lizenzierungsverfahrens bestehen schwerwiegende Bedenken. Neuere Rechtsprechung eröffnet überdies auch einen Schadenersatzanspruch gegenüber einem Verein, der die Lizenz nicht auf redliche Weise erworben hat.
A) Rechtskontrolle der Entscheidungen der DFL durch einen Mitbewerber
§ 11 II LO beschränkt das Kontrollrecht des abgewiesenen Vereins hinsichtlich der möglicherweise einem anderen Bewerber zu Unrecht erteilten Lizenz nur scheinbar. Die zugunsten eines anderen erteilte Lizenz erzeugt zwangsläufig eine rechtlich beachtliche Reflexwirkung auf die selbst angestrebte Lizenz. Im Bereich der Abstiegränge pflegen Vereine stets Lizenzen gleichzeitig für die 1. und hilfsweise die 2. Bundesliga zu stellen. Wird der Antrag auf Erteilung einer Lizenz für die 1. Bundesliga zurückgewiesen, so kann der Bewerber diese Entscheidung fraglos anfechten, mit der Begründung einem anderen Bewerber hätte bei pflichtgemäßem Ermessen die Lizenz mit der Folge entzogen oder verweigert werden müssen, dass an seiner statt der abgelehnte Bewerber am Spielbetrieb teilnehmen kann. Damit erfolgt im Verfahren über den eigenen Antrag inzident eine Überprüfung der einem Dritten erteilten Lizenz.
B) Schadenersatzpflicht des Ligaverbands/der DFL
Aufgrund der Vorschrift des § 3 Satz 2 des Lizenzvertrages scheint eine Schadenersatzpflicht der DFL selbst dann ausgeschlossen zu sein, wenn diese im Rahmen der Prognoseentscheidung über die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eines Bewerbers für die Zukunft von dem eingeräumten Ermessen pflichtwidrigen Gebrauch macht, z.B. um diesen aus Gründen, die außerhalb des Verfahrens selbst liegen, zu begünstigen. Allerdings wird diese Vorschrift einer Kontrolle anhand der mittlerweile von der Rechtsprechung aufgestellten Kriterien nicht standhalten. In der Präambel zur LO bezeichnet der Ligaverband selbst die Zwecke des Verfahrens, nämlich u.a. den Ligaspielbetrieb zu sichern, die Stabilität der Teilnehmer zu sichern, die Integrität des Wettbewerbs zu erhöhen und die Glaubwürdigkeit auszubauen. Alle dazu erforderlichen Prüfungspflichten dürfen als sog. Kardinalpflichten der DFL bezeichnet werden, von denen eine „Freizeichnung“ nicht möglich ist. Verschafft die DFL einem Verein durch Missachtung der Lizenzierungsvorschriften Wettbewerbsvorteile, so verpflichtet dies zum Schadenersatz.
C) Schadenersatzpflicht eines Vereins für fehlerhafte Angaben
Sollte sich erweisen, dass ein Bewerber im Antrag fehlerhafte Angaben gemacht hat, um sich die Lizenz anstelle eines anderen Mitbewerbers zu erschleichen, so wäre er gem. § 280 I BGB schadenersatzpflichtig, einem Mitbewerber gegenüber z.B. auf Ersatz der Mindereinnahmen der 2. gegenüber der 1. Bundesliga. Diese Rechtsfolge vereinfacht die neuere Rechtsprechung des BGH zu den Europapokalheimspielen, worin der BGH „mitgliedschaftliche Förder- und Rücksichtnahmepflichten“ untereinander konstatiert, deren Verletzung zum Schadenersatz verpflichtet.
D) Beweislastumkehr
Die tatsächlichen Grundlagen einer Anfechtung einer Entscheidung, an der der klagende Mitbewerber selbst nicht beteiligt war, oder einer Pflichtverletzung als Grundlage eines Schadenersatzprozesse erscheinen zunächst nur schwer nachweisbar. Allerdings finden wir an zahlreichen Konstellationen mit vergleichbarer Interessenlage eine Beweislastumkehr zu Gunsten des Geschädigten. Dieser hat lediglich eine objektive Pflichtverletzung oder zumindest einen Sachverhalt nachzuweisen, der bei typischem Geschehensablauf einen Pflichtverstoß indiziert, der Anspruchsgegner hat sodann sein fehlendes Verschulden nachzuweisen.
E) Insolvenzrechtliche Pflichten
Bei der Neuordnung des Konkurs/Insolvenzrechtes zum 1.1.1999 hat der Gesetzgeber im Tatbestand des § 17 InsO bewusst auf die zuvor vorhandenen Merkmale der Wesentlichkeit und er Dauerhaftigkeit einer Illiquidität verzichtet, um zu verhindern, dass eine längere Zeit bestehende Illiquidität als bloße Zahlungsstockung angesehen wird . Seitdem führt auch die Unfähigkeit, einen geringen Teil der Verbindlichkeiten über zwei bis drei Wochen zu zahlen, zur Zahlungsunfähigkeit und zur Insolvenzantragspflicht, bei deren Verletzung zur Schadenersatzpflicht und Strafbarkeit der Organe.

III. Fazit
Die vom BVB selbst bekannt gemachten Zahlen lassen einen Verlust und eine Liquiditätslücke in einer Größenordnung erkennen, bei der nur schwer vorstellbar ist, dass deren Eintritt zum Zeitpunkt des Lizenzverfahrens im Vorjahr bei sorgfältiger Prüfung nicht erkennbar war. Kritische Beobachter können damit eine Verletzung der Informationspflichten des BVB oder der Prüfungspflichten der DFL als Grundlage der Lizenzentscheidung (ggfs. auch des fehlenden Lizenzentzuges) nicht ausschließen. Beide Umstände würden zu einer Schadenersatzpflicht entweder des BVB oder des Ligaverbandes/der DFL gegenüber den betroffenen Bewerbern z.B. Eintracht Frankfurt führen.
Die BVB KgAA ist nach eigenen Meldungen wohl seit Jahresbeginn und noch bis zum 14.3.2005 ohne endgültige Stundungsabrede nicht in der Lage, ihren Verpflichtungen aus dem Stadionmietvertrag nachzukommen. Sie erwartete selbst bis zum Ende der Spielzeit eine Liquiditätslücke von annähernd 30 Millionen Euro. Sollten diese Angaben stimmen, sind nach Auffassung der Autoren die Grenzen der Wesentlichkeit und der Dauerhaftigkeit aus dem Insolvenzrecht überschritten. Dies hätte eine Insolvenzpflicht zur Folge.

Rechtsanwalt Wieschemann ist in Bochum vorwiegend wirtschaftsrechtlich, aber auch sportrechtlich tätig. Er ist Mitglied des Arbeitskreises Sportrecht im Deutschen Anwaltverein seit dem Jahr der Gründung 1998. Jan Froehner befindet sich im Anwaltsausbildungsprogramm des DAV in der Kanzlei Wieschemann

Hrsg. von Prof. Dr. Peter W. Heermann LL.M., Boorberg, Stgt. 2005 SpuRt 2002, 213
NJW-RR 2003, 495 = SpuRt 2002, 207
NJW-RR 2003, 498 = SpuRt 2003, 79
Begr RegE BT-Drucks 12/1443 S.114
siehe die ausführlichen Nachweise bei Schulze-Osterloh in Baumbach/Hueck, GmbHG, 17. Aufl. 2000, § 64 Rz. 5

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